Etwa 20.000 Mal atmen wir jeden Tag ein und aus. Ein Vorgang, der so selbstverstaendlich ist, dass wir ihn kaum wahrnehmen. Dabei ist der Atem weit mehr als nur der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid. Er ist eine Bruecke zwischen Koerper und Geist, ein Schluessel zu unserem autonomen Nervensystem und damit auch zu unserem Herzen.

Die moderne Wissenschaft bestaetigt, was alte Weisheitstraditionen seit Jahrtausenden wissen: Die Art, wie wir atmen, beeinflusst direkt unser Wohlbefinden. Schnelles, flaches Atmen signalisiert dem Koerper Gefahr und aktiviert den Kampf-oder-Flucht-Modus. Langsames, tiefes Atmen hingegen aktiviert den Parasympathikus — jenen Teil unseres Nervensystems, der fuer Erholung und Regeneration zustaendig ist.

Warum bewusstes Atmen dem Herzen guttut

Unser Herz und unsere Atmung sind eng miteinander verbunden. Bei jedem Einatmen beschleunigt sich der Herzschlag leicht, beim Ausatmen verlangsamt er sich wieder. Diese natuerliche Variation nennt man Herzratenvariabilitaet — und sie ist ein wichtiger Indikator fuer die Anpassungsfaehigkeit unseres Herz-Kreislauf-Systems.

Menschen mit einer hohen Herzratenvariabilitaet sind in der Regel belastbarer und erholungsfaehiger. Interessanterweise laesst sich diese Variabilitaet durch bewusstes Atmen positiv beeinflussen. Studien zeigen, dass regelmaessige Atemuebungen die Herzratenvariabilitaet verbessern und damit die Widerstandskraft des Herzens staerken koennen.

Darueber hinaus hilft bewusstes Atmen, den Blutdruck zu regulieren. Wenn wir gestresst sind, verengen sich unsere Blutgefaesse und der Druck steigt. Tiefes Atmen loest diese Anspannung und ermoeglicht den Gefaessen, sich wieder zu weiten. Der Blutdruck sinkt, das Herz wird entlastet.

Einfache Atemuebungen fuer den Alltag

Das Schoene am bewussten Atmen ist: Sie brauchen keine besondere Ausruestung, keinen speziellen Ort und nicht viel Zeit. Schon wenige Minuten taeglich koennen einen spuerbaren Unterschied machen. Hier sind drei einfache Techniken, die Sie sofort ausprobieren koennen.

Die 4-7-8 Methode

Diese Technik ist besonders wirksam zum Entspannen und kann auch beim Einschlafen helfen. Setzen Sie sich bequem hin oder legen Sie sich hin. Atmen Sie durch die Nase ein und zaehlen Sie dabei langsam bis vier. Halten Sie den Atem an und zaehlen Sie bis sieben. Dann atmen Sie durch den Mund aus und zaehlen Sie bis acht. Wiederholen Sie diesen Zyklus drei bis vier Mal.

Am Anfang mag es ungewohnt sein, so lange auszuatmen. Das ist voellig normal. Mit etwas Uebung wird es immer leichter, und Sie werden bemerken, wie eine wohltuende Ruhe sich in Ihnen ausbreitet.

Bauchatmung

Viele Menschen atmen unbewusst nur in den Brustkorb — eine flache, eingeschraenkte Atmung, die mit Anspannung verbunden ist. Die Bauchatmung hingegen nutzt das Zwerchfell vollstaendig und fuehrt zu einer tieferen, entspannenderen Atmung.

Legen Sie eine Hand auf Ihre Brust und eine auf Ihren Bauch. Atmen Sie so ein, dass sich vor allem der Bauch hebt, waehrend die Brust relativ ruhig bleibt. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Bauch sich wie ein Ballon mit Luft fuellt. Beim Ausatmen zieht sich der Bauch sanft zurueck. Ueben Sie dies einige Minuten lang, bis es sich natuerlich anfuehlt.

Kohaerentes Atmen

Beim kohaerenten Atmen geht es darum, einen gleichmaessigen Rhythmus zu finden, bei dem Ein- und Ausatmung etwa gleich lang dauern. Fuenf Sekunden einatmen, fuenf Sekunden ausatmen — das ergibt sechs Atemzuege pro Minute und hat sich als besonders guenstig fuer das Herz-Kreislauf-System erwiesen.

Diese Technik koennen Sie ueberall anwenden: im Wartezimmer, an der Bushaltestelle, waehrend einer Arbeitspause. Niemand bemerkt, dass Sie gerade etwas Gutes fuer Ihr Herz tun.

Atemuebungen in den Alltag integrieren

Der beste Zeitpunkt fuer Atemuebungen ist der, an den Sie sich erinnern. Manche Menschen ueben morgens direkt nach dem Aufwachen, andere vor dem Einschlafen. Wieder andere nutzen die Mittagspause oder den Moment, bevor sie das Auto starten.

Ein hilfreicher Trick ist, das Atmen mit einer bestehenden Gewohnheit zu verknuepfen. Zum Beispiel: Jedes Mal, wenn Sie einen Kaffee trinken, machen Sie vorher drei tiefe Atemzuege. Oder: Bevor Sie das Smartphone entsperren, atmen Sie einmal bewusst ein und aus. So wird das bewusste Atmen automatisch Teil Ihres Alltags.

Erwarten Sie keine sofortigen Wunder. Wie bei allem, was gut ist, braucht auch das bewusste Atmen Zeit und Uebung. Aber bleiben Sie dran — Ihr Herz wird es Ihnen danken.

Wann Sie vorsichtig sein sollten

Obwohl bewusstes Atmen in der Regel voellig sicher ist, gibt es einige Situationen, in denen Sie achtsam sein sollten. Wenn Ihnen beim Ueben schwindelig wird, atmen Sie wahrscheinlich zu schnell oder zu tief. Verlangsamen Sie das Tempo und atmen Sie sanfter.

Menschen mit Atemwegserkrankungen, Herzproblemen oder Angststoerungen sollten vor dem Beginn eines intensiven Atemtrainings mit ihrem Arzt sprechen. Die hier vorgestellten sanften Uebungen sind in der Regel unbedenklich, aber bei Unsicherheiten ist ein aerztlicher Rat immer sinnvoll.

Der erste Schritt

Jetzt, in diesem Moment, koennen Sie beginnen. Halten Sie kurz inne. Spueren Sie, wie Sie atmen. Dann nehmen Sie einen tiefen Atemzug — langsam ein durch die Nase, spueren Sie, wie sich Ihr Bauch hebt, und dann langsam aus durch den Mund. Ein Geschenk an sich selbst, das nur einen Moment dauert und doch so viel bewirken kann.

Wenn Sie tiefer in das Thema einsteigen moechten, laden wir Sie herzlich ein, unser Programm Rhythmus-Balance kennenzulernen. Dort erlernen Sie unter fachkundiger Anleitung verschiedene Atemtechniken und erfahren, wie Sie diese nachhaltig in Ihr Leben integrieren koennen.